Der Aussätzige
- Miri Vedder
- 11. Aug. 2020
- 2 Min. Lesezeit

Jesus ist unterwegs, seine Jüngern dicht um ihn geschart. Eine Menge folgt ihm nach, begierig darauf, jedes Wort, das aus seinem Mund kommt, zu hören - beeindruckt von seiner Lehre, die er mit solch einer Vollmacht auf dem Berg gesprochen hatte.
Plötzlich entsteht ein Bewegung in der Menge - ein Mann will sich den Weg durch sie hindurchbahnen. Die Menschen gehen freiwillig aus dem Weg, halten größtmöglichen Abstand. Mit gleichzeitig angewidertem und furchtsamen Gesichtsausdruck schauen sie ihn an, viele wenden ihren Blick ab. Murren entsteht - was will denn der jetzt hier?
Dem Mann ist das Verhalten bekannt, aber daran gewöhnen wird er sich wohl nie. Den Kopf gesenkt, stolpert er auf seinen zerschundenen Füßen weiter. Er hat ein Ziel, und er wird sich nicht mehr davon abhalten lassen. Er hat von diesem Mann gehört, diesem Jesus, der Wunderheilungen vollbrachte, der Gelähmte wieder gehend machte, von Dämonen Besessene wiederherstellte. Sicherlich könnte er auch seinen Aussatz heilen…
Jetzt steht er direkt vor ihm. Als Einziger ist Jesus nicht vor ihm zurückgewichen. Er wirft einen Blick auf sein Gesicht - er sieht keine Abneigung, keinen Ekel darauf.
Er fällt auf seine Knie. Schaut Jesus an. Versucht, etwas zu sagen, aber seine Stimme will ihm nicht gehorchen. “Herr”, - ein leises Flüstern, er setzt nochmal an: “Herr, wenn du willst, kannst du mich rein machen.”
Da, er hat es gesagt. Sein Blick senkt sich, er schaut auf den Boden. Was wird Jesus nun tun? Der Mann weiß, keiner will etwas mit einem Aussätzigen zu tun haben. Alleine, dass er so nah vor ihm kniet, macht Jesus schon fast selber unrein, zu einem Ausgestoßenen. Aber er weiß auch, dass dieser Mann, der Christus genannt wird, ihn heilen kann.
Er sieht einen Schatten auf dem Boden, Jesus bewegt seine Hand - auf ihn zu. Der Mann hält den Atem an, blickt hoch in Jesus Gesicht, als dieser ihn berührt.
Die leisen Worte: “Ich will - sei rein”, hört nur er.
Und als er diese Worte hört und die Berührung spürt, merkt er eine Veränderung. Er blickt runter, auf seine Hände, und sieht, wie sie sich verändern. Seine fleckige, entzündete, deformierte Haut verschwindet - neue, gesunde Haut tritt an ihre Stelle. Seine Schmerzen vergehen.
Er kann es nicht fassen. Er steht auf, betrachtet seine Hände, seine Füße. Betastet seine Arme, seinen Kopf.
Er ist gesund. Er ist rein.
Er schaut hoch zu Jesus, will ihm danken, bringt aber kein Wort hervor. Tränen treten ihm in die Augen.
Diesen Blick voll Güte wird er nie vergessen.
Wie oft lesen wir einfach über die Wunder, von denen die Bibel berichtet, hinweg? Wie oft vergessen wir, dass dahinter echte Menschen sind, deren Leben durch die Begegnung mit Jesus komplett verändert wurde. Ich habe versucht, mich - anhand des biblischen Berichtes aus Matthäus 8 - ein bisschen in die Situation dieses Mannes hineinzuversetzen, mir vorzustellen, wie es wohl damals geschehen sein könnte.
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